Neuer alter Job
Wie Chefs in Krisenzeiten die Arbeitsverträge ihrer Beschäftigten ändern können, was diese hinnehmen müssen und was der Betriebsrat ausrichten kann.
Von Ulrike Winter
Nachfrageeinbruch, Auftragsrückgang, Standortschließung: Wo Kurzarbeit die Krise nicht mehr abfedert, können Unternehmer die Arbeitsverträge ihrer Beschäftigten auch dauerhaft anpassen. Mit Änderungskündigungen zum Beispiel können Chefs getroffene Vereinbarungen stärker abwandeln, als es der Arbeitsvertrag oder das Weisungsrecht normalerweise vorsehen.
Welche Änderungen kann eine solche Kündigung bringen?
Sie zielt auf die elementaren Bestandteile des Arbeitsverhältnisses: die Aufgaben des Beschäftigten, seine Arbeitszeit, den Einsatzort und den Lohn. „Soll ein Hausmeister in Zukunft nur noch Reinigungsarbeiten übernehmen, kann der Arbeitgeber den alten Arbeitsvertrag auflösen und einen neuen aufsetzen", erklärt André H. Tüffers, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Düsseldorf. Gleiches gilt, wenn eine Kassiererin zwischen 12 und 20 Uhr statt zwischen 10 und 18 Uhr oder statt 36 nur noch 35 Stunden arbeiten soll. Auch, wenn ein Chef seinen Mitarbeiter an einem anderen Standort einsetzen möchte, der nicht mehr durch tägliche Anfahrt zu erreichen ist, oder ihm weniger Gehalt zahlen will, kann er eine Änderungskündigung aussprechen.
Wann sind solche Änderungen gerechtfertigt?
Wenn sie aus unternehmerischer Sicht notwendig und alternativlos sind, sagt Arbeitsrechtsexperte Tüffers. Verlängert ein Händler seine Öffnungszeiten von 18 Uhr auf 21 Uhr, um auch in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben, muss er es auch seinen Beschäftigten zumuten, später am Abend zu arbeiten. Zieht eine Firma in ein anderes Bundesland, um dort ausreichend Abschlüsse zu erzielen, müssen auch die Mitarbeiter mitziehen, wenn sie ihren Job behalten möchten. Und fährt ein Industrieunternehmen seine Arbeitszeit herunter, weil es über längere Zeit hinweg an Aufträgen fehlt, fehlt es dem Arbeitgeber tatsächlich an Alternativen, um seinen Betrieb zu retten.
Wie kann der Arbeitnehmer reagieren?
Der Beschäftigte hat drei Möglichkeiten: Nimmt er die Kündigung an, greift nach Ablauf der Kündigungsfrist der neue Arbeitsvertrag. Lehnt er sie ab, läuft er nach Ablauf dieser Frist aus. Der Beschäftigte kann die Änderungskündigung aber auch nur unter Vorbehalt annehmen und von einem Arbeitsgericht prüfen lassen, ob die neuen Arbeitsbedingungen tatsächlich notwendig und zumutbar sind. Dafür muss der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen, nachdem er die Kündigung erhalten hat, beim Arbeitsgericht eine Änderungskündigungsschutzklage einreichen. Auch dem Arbeitgeber muss er innerhalb dieser Frist mitteilen, dass er die Kündigung nur unter Vorbehalt annimmt, am besten schriftlich, rät Anwalt Tüffers. Diese dritte Option gilt allerdings nur für Mitarbeiter, die Kündigungsschutz genießen, das heißt, länger als sechs Monate beschäftigt waren und einen Arbeitgeber haben, der mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt.
Wann wird eine Änderungskündigung unwirksam?
Die Kündigung ist nur gültig, wenn sie als schriftliches Original zugestellt wurde. Außerdem muß der Arbeitgeber die Kündigung deutlich formulieren und die neuen Arbeitsbedingungen konkret beschreiben. „Der Beschäftigte muss wissen, was ihn erwartet", sagt Rechtsanwalt Tüffers. Und: Geändert werden dürfen nur Konditionen, für deren Anpassung es einen unternehmerischen Grund gibt. Will der Arbeitgeber für die gleiche Arbeit weniger Geld zahlen, „muss der Betrieb im Prinzip kurz vor der Insolvenz stehen und durch die Lohnkürzung gerettet werden", so Tüffers. In solchen Fällen lohne sich das Klagen besonders: Eine Lohnkürzung als Sanierungskonzept durchzusetzen, sei so gut wie unmöglich.
Muss der Betriebsrat der Änderungskündigung zustimmen?
Nein, aber er muss gehört werden. Wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht über die Änderungskündigung informiert, können die Beschäftigten deren Unwirksamkeit geltend machen – durch eine fristgerechte Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht. Bei Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern hat der Betriebsrat weiterreichende Rechte. Zum Beispiel muss er der Versetzung von Beschäftigten oder der Reduzierung ihrer Stundenzahlen dann auch zustimmen.
Besonders geschützt
Beschäftigte mit Sonderkündigungsschutz, zum Beispiel Schwangere, Schwerbehinderte oder Mitglieder des Betriebsrats, genießen diesen Schutz auch, wenn eine Änderungskündigung ausgesprochen wird. In den meisten Fällen bedeutet das, dass externe Behörden eingeschaltet werden und über die geplante Kündigung entscheiden müssen. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel gilt: Will ein Arbeitgeber einer schwangeren Beschäftigten kündigen, muss er sich das Einverständnis der zuständigen Bezirksregierung einholen. Dieses Einverständnis braucht er demnach auch, um eine Änderungskündigung durchzusetzen."
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